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Kognitive Verzerrungen: Eine kognitive Voreingenommenheit ist ein systematisches Muster der Abweichung von der Rationalität im Urteil oder in der Entscheidungsfindung, das durch Faktoren wie Wahrnehmung, Gedächtnis oder soziale Anhaltspunkte beeinflusst wird.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Experimentelle Ökonomik über Kognitive Verzerrungen - Lexikon der Argumente

Parisi I 93
Kognitive Verzerrung/Experimentelle Ökonomik/Sullivan/Holt: Eine Beobachtung in wirtschaftswissenschaftlichen Experimenten ist die generelle Unfähigkeit von informierten Probanden, die Urteile von relativ uninformierten Probanden introspektiv zu reproduzieren, selbst wenn ein Anreiz dazu besteht - ein Phänomen, das als Fluch des Wissens bezeichnet wird (Camerer, Loewenstein und Weber, 1989(1)).
Rückblickende Verzerrung/Experimente: Leider deuten zahlreiche experimentelle Belege darauf hin, dass Menschen bei dieser Art der Ex-post-Bewertung von Ex-ante-Wahrscheinlichkeiten nicht sehr gut sind. Ein besonders unangenehmes Problem ist die rückblickende Verzerrung - die Tendenz von Menschen, die das Ergebnis eines zufälligen Ereignisses beobachten, die Ex-ante-Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieses Ergebnisses zu überbewerten (Fischhoff, 1975(2); Slovic und Fischhoff, 1977(3)).
Asymmetrie/Introspektion: Eine eng verwandte Beobachtung in ökonomischen Experimenten ist die generelle Unfähigkeit von informierten Subjekten, die Urteile von relativ uninformierten Subjekten introspektiv zu reproduzieren, selbst wenn ein Anreiz besteht, dies zu tun - ein Phänomen, das als Fluch des Wissens bezeichnet wird (Camerer, Loewenstein und Weber, 1989(1)).
>Introspektion
, >Wissen, >Verhalten.
a) Eine Möglichkeit, diese Ergebnisse zu interpretieren, ist ein grundlegender Schlag gegen die Gültigkeit von Schuldfeststellungen nach dem Fahrlässigkeitsstandard: Selbst die wohlmeinendsten Geschworenen werden strukturell dazu neigen, die Gefährlichkeit des Verhaltens des Angeklagten überzubewerten, wenn alles andere gleich ist.
b) Alternativ, und konstruktiver, könnten ökonomische Experimente als ein Werkzeug zum Verständnis und zur Beseitigung von Urteilsverzerrungen, die den Standard untergraben, angesehen werden. Camerer, Loewenstein und Weber (1989)(1) finden zum Beispiel, dass die Teilnahme an einer Marktstruktur hilft, den Fluch des Wissens teilweise zu reduzieren. Ob Jury-Beratungen eine ähnliche Funktion haben, ist eine offene empirische Frage. In ähnlicher Weise legt ein aktuelles ökonomisches Experiment von Wu et al. (2012)(4) nahe, dass informierte
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Subjekte, die Wissen über spezifische Details des Bewertungsprozesses haben, die von einem uninformierten Subjekts genutzt werden, dazu beitragen kann, die Verzerrung im Nachhinein deutlich zu reduzieren, wenn das informierte Subjekt versucht, das Urteil des uninformierten Subjekts zu bewerten.
Rückblickende Verzerrung: (...) der Einfluss von rückblickender Verzerrung auf die Tatsachenfeststellung ist nicht auf Klagen bei Fahrlässigkeit beschränkt. Mandel (2006)(5) befasst sich z. B. mit der rückblickenden Verzerrung bei Patentanmeldungen, aber das Problem sollte allgemein immer dann auftreten, wenn der Sachbearbeiter die Ex-ante-Wahrscheinlichkeit eines ex-post bekannten Ergebnisses berücksichtigen muss.
Baysianisches Updating: (...) Die rückblickende Verzerrung ist nicht die einzige Urteilsverzerrung, die Wahrscheinlichkeitsermittlungen unter dem Fahrlässigkeitsstandard impliziert (siehe z.B. Kahneman, Slovic und Tversky, 1982)(6). Experimentelle Beweise für die Schwierigkeit der Bayes'schen Aktualisierung (Grether 1992(7); siehe auch Koehler und Kaye, 1991(8)) und mögliche Umgehungen (z. B. Gigerenzer und Hoffrage, 1995(9)) sind besonders treffend.

1. Camerer, C., G. Loewenstein, and M. Weber (1989). “The curse of knowledge in economic settings: An experimental analysis.” Journal of Political Economy 97(5): 1232–1254.
2. Fischhoff, B. F. (1975). “Hindsight ≠ Foresight: the Effect of Outcome Knowledge on Judgment under Uncertainty.” Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 1(3): 288–299.
3. Slovic, P. and B. Fischhoff (1977). “On the Psychology of Experimental Surprises.” Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 3(4): 544–551.
4. Wu, D. A., S. Shimojo, S. W. Wang, and C. F. Camerer (2012). “Shared visual attention reduces hindsight bias.” Psychological Science 23(12): 1524–1533.
5. Mandel, G. N. (2006). “Patently Non-Obvious: Empirical Demonstration That the Hindsight Bias Renders Patent Decisions Irrational.” Ohio State Law Journal 67: 1391–1463.
6. Kahneman, D., P. Slovic, and A. Tversky (1982). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. Cambridge: Cambridge University Press.
7. Grether, D. M. (1992). “Testing Bayes Rule and the Representativeness Heuristic: Some Experimental Evidence.” Journal of Economic Behavior & Organization 17(1): 31–57.
8. Koehler, J. J. and D. H. Kaye (1991). “Can Jurors Understand Probabilistic Evidence?” Journal of the Royal Statistical Society: Series A 154(1): 75–81.
9. Gigerenzer, G. and U. Hoffrage (1995). “How to Improve Bayesian Reasoning Without Instruction: Frequency Formats.” Psychological Review 102(4): 684–704.

Sullivan, Sean P. and Charles A. Holt. „Experimental Economics and the Law“ In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Experimentelle Ökonomik

Parisi I
Francesco Parisi (Ed)
The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017

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